
Experten: Franziskus-Nachfolger wird Reformen nicht rückgängig machen
Wohin steuert die Katholische Kirche nach dem Tod von Papst Franziskus? Diese Frage stand im Fokus einer Diskussion in der neuen ORF-Sendereihe "ZIB Talk" am Dienstagabend. Einig zeigten sich die geladenen Expertinnen und Experten - darunter Bischof Hermann Glettler, der Theologe Paul M. Zulehner, die Vizepräsidentin der Katholische Aktion, Katharina Renner, sowie die Journalisten Doris Helmberger-Fleckl und Hans Winkler darin, dass ein neuer Papst die Reformen von Franziskus speziell im Blick auf die Öffnung der Kirche und den eingeschlagenen synodalen Weg nicht zurückdrehen wird. "Das lässt sich nicht mehr bremsen oder einfach wieder zurückdrehen, was bisher passiert ist", so Winkler. Eine gleichermaßen drängende wie offene Frage stellte für die Talk-Gäste die Frauenfrage dar.
Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler bezeichnete die Öffnung der Kirche zu einem synodalen Prozess als den "eigentlichen Reformschub", der Franziskus zu verdanken sei und von dem er hoffe, dass ein Nachfolger diesen aufgreifen werde. Im aufeinander Hören und miteinander Reden liege schließlich jene "Quelle" verborgen, zu der Franziskus den Glauben und die Kirche zurückführen wollte, so Glettler. Weitere "gute Lernschritte" erwartet Glettler im Blick auf die Rolle von Frauen in der katholischen Kirche. Hier sei bereits viel geschehen und man wolle "diesen Weg auch weitergehen" und Frauen mit Leitungsfunktionen versehen und dahingehend arbeiten, dass Frauen irgendwann auch Leitungsfunktionen, die mit einer Weihe verbunden sind, übernehmen können.
Auch der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner ging davon aus, dass der synodale Weg von Franziskus ein bleibendes Erbe sein werde und weiter gegangen werde. Schließlich gehe es um nicht weniger als die Zukunft einer "taumelnden Welt", in der es verstärkte Dialogbemühungen und Schulterschlüsse gerade auch der Religionen untereinander brauche. "Wenn die Kirche nur um sich kreist, dann bleibt richtig, was Papst Franziskus gesagt hat: dann ist die Kirche krank und keine Hilfe für die Welt." Entsprechende Weichenstellungen habe Franziskus mit einer "neuen Pastoralkultur" in der Kirche bereits vorgenommen. Die zentrale Aufgabe werde für einen künftigen Nachfolger laut Zulehner nun darin bestehen, "diese Kultur in Kirchenrecht zu übersetzen".
Bei der Frauenfrage bzw. der Frage des Frauenpriestertums sah der Theologe "kein theologisches Problem" - dies sei längst ausdiskutiert - sondern vielmehr eine Mentalitäts- und Kulturfrage. Entscheiden werde dies aber nicht ein Papst allein - "es muss ein Konzil her, wenn diese Frage entschieden werden soll", so Zulehner. Nachsatz: "So wird's laufen und nicht anders."
KAÖ-Vizepräsidentin Katharina Renner bestätigte ihrerseits und aus Sicht der Pfarrgemeinden den Eindruck, dass der Weg der Öffnung der Kirche nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Es gebe zwar immer wieder Versuche von pfarrlichen Leitungspersonen, synodale Elemente zurückzudrängen, aber jeder wisse, dass das so nicht mehr geht und man alle einbeziehen müsse, wenn das Pfarrleben und Kirche vor Ort eine Zukunft haben soll. Überhaupt sei bereits jetzt "ganz viel möglich" an Beteiligung von Laien - dazu sei es "nicht unbedingt notwendig, dass wir auf einen neuen Papst warten". Man müsse etwa Jugendlichen und Laien nur genug Freiraum lassen, mitzugestalten. Bei der Frauenfrage betonte Renner, dass diese nicht allein eine kirchliche Frage sei, sondern dass sie "gesamtgesellschaftlich zu lösen" sei.
"Furche"-Chefredakteurin Doris Helmberger-Fleckl verlieh ihrer Hoffnung Ausdruck, dass ein künftiger neuer Papst den Weg der Dezentralisierung weitergehen werde und möglichst viele Menschen bzw. Minderheiten "hineingenommen" werden in die Kirche. Nur durch diese anhaltende Öffnung und die Bearbeitung von Problemthemen wie etwa dem Thema Missbrauch, wo die Kirche "eine spezielle Schuld auf sich geladen" habe, könne es gelingen, das "massive Glaubwürdigkeitsproblem" zu überwinden. Gleiches gelte für das Thema Frauen in der Kirche: Auch hier könne die Kirche nur dann Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, wenn es ihr gelinge, die Talente aller Menschen, die sich einbringen wollen, zu nutzen. Dass dies dann gleich zu einem Wiedereintritt zahlreicher Menschen führen werde, dürfe jedoch bezweifelt werden, so Helmberger-Fleckl.
Der Journalist und frühere Vorsitzende des Verbandes Katholischer Publizistinnen und Publizisten in Österreich, Hans Winkler, äußerte die Hoffnung, dass es einem Nachfolger von Franziskus gelingen werde, "konzeptionell zusammenzufassen", was unter Franziskus an Reformen "nur begonnen worden und angeredet worden" ist. Synodalität sei dabei ein wichtiger Aspekt und Weg, der weiter gegangen werden müsse - "aber es muss eine Klärung finden", so Winkler. Eine solche Klärung verlange auch die Frage nach der Leitungsverantwortung für Frauen - schließlich stehe dahinter letztlich die Frage nach der Weihe von Frauen. So heikle theologische Fragen könnten nicht synodal per Mehrheitsvotum entschieden werden, so Winkler.
Quelle: kathpress