"Asyl auf Zeit" weder menschlich noch wirtschaftlich
Die geplante Einführung von "Asyl auf Zeit" ist für Caritas-Präsident Michael Landau "weder menschlich richtig noch volkswirtschaftlich sinnvoll". Es gebe bereits jetzt die gesetzliche Möglichkeit, einen bestehenden Asylstatus abzuerkennen, wenn der Asylgrund wegfällt. "Es ist also nicht klar, welche Verbesserung durch eine weitere Gesetzesänderungen erreicht werden soll", stellte Landau am Dienstag in einer Aussendung die Sinnhaftigkeit der Gesetzesnovelle in Frage. Es sei zudem "unmenschlich", Flüchtlinge, die nach drei Jahren in Österreich Fuß gefasst hätten, wieder weg zu schicken.
Wie am Montagabend bekannt wurde, will die Bundesregierung das Asylrecht angesichts der steigenden Anzahl von Asylanträgen - bis Jahresende werden in Summe etwa 85.000 erwartet - verschärfen und schon ab 15. November nur noch Asyl auf Zeit gewähren. Die Frist dafür soll maximal drei Jahre betragen, nach denen das Aufenthaltsrecht automatisch ausläuft und wieder neu geprüft werden soll, ob die Schutzgründe weiter bestehen. Gleichzeitig enthält der Begutachtungsentwurf auch eine Verschärfung beim Familiennachzug, wonach Personen mit Zuerkennung nur von subsidiärem Schutz künftig drei Jahre - statt wie bisher zwölf Monate - auf ein Nachholen ihrer Familien nach Österreich warten müssen.
Landau rechnet durch die Gesetzesänderung mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand und einer enormen Mehrbelastung der Mitarbeiter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) durch die zusätzliche Überprüfung zehntausender Asylbescheide. Weitere Verfahrensverzögerungen seien die Folge. Deutlich werde das an Deutschland: "Dort hat man Asyl auf Zeit aus guten Gründen wieder abgeschafft. Ich halte es für einen falschen Weg, dieses Instrument in Österreich neu einzuführen. Und bereits heute kehren Menschen wieder in ihre Heimat zurück, wenn ein Leben in Frieden und Sicherheit möglich ist."
Kritisch sieht Landau auch die geplanten Änderungen im Bereich des Familiennachzugs. "Familienangehörige von Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten finden sich zumeist in vergleichbar gefährlichen Situationen für Leib und Leben wieder, wie die bereits geflüchteten Familienmitglieder. Die Einschränkungen bei der Familienzusammenführung als praktisch letzten Weges einer legalen Möglichkeit, Schutz in Europa zu suchen, sind zynisch und zwingen Flüchtende dazu, die Dienste von Schleppern in Anspruch zu nehmen", so Landau.
Befristung als Integrationshemmnis
Negative Auswirkungen hätte die Gesetzesnovelle auch auf die Integration der Asylberechtigten. Schon jetzt gebe es die Möglichkeit des zeitlich befristeten subsidiären Schutzes. Es zeige sich allerdings, dass Menschen aufgrund der Befristung dieses Schutzstatus deutlich größere Schwierigkeiten als Asylberechtigte hätten, eine Wohnung oder eine Arbeit zu finden. "Ganz praktisch gedacht: Wer gibt dir schon Arbeit, investiert in deine Ausbildung oder vermietet dir eine Wohnung, wenn du nicht sagen kannst, wie lange du als Mieter oder Arbeitnehmer zur Verfügung stehst? Zudem ist die existentielle Unsicherheit darüber, ob man in Österreich bleiben kann, psychisch sehr belastend", so Landau.
Eine abschreckende Wirkung auf Flüchtlinge werde die Gesetzesnovelle nach der Einschätzung des Caritas-Präsidenten kaum haben. "Die Menschen werden weiterhin kommen; auch wenn sie wissen, dass sie nach einer Besserung der Situation im Land wieder zurückkehren müssen. Eine erneute Novellierung im Asylrecht, obwohl nicht einmal die beiden, seit 2014 in Kraft getretenen, Novellen konsolidiert sind, wird keinen bezifferbaren 'Nutzen' mit sich bringen, sondern noch mehr Leid und Probleme für Menschen, die bereits alles verloren haben."
Diakonie: Gesetz zu Lasten der Familien
Das evangelische Hilfswerk Diakonie sieht in den geplanten Verschärfungen im Asylrecht einen "massiven Eingriff in das Menschenrecht auf Einheit der Familie". Die Gesetzesnovelle gehe zu Lasten der Familieneinheit, kritisierte Diakonie-Direktor Michael Chalupka am Dienstag. Betroffen seien vor allem unbegleitete Minderjährige, die nur subsidiären Schutz erhalten. Sie müssen künftig drei Jahre auf eine Familienzusammenführung warten, verlieren mit der Volljährigkeit aber das Recht darauf. "Das bedeutet, dass die Jugendlichen somit wohl auf Dauer von ihren Familien getrennt bleiben werden", kritisierte Chalupka.
Der Diakonie-Direktor rechnet damit, dass sich auf Grund der Verschärfungen für den Familiennachzug, mehr Kinder, Jugendliche und Frauen auf die gefährlichen Fluchtrouten begeben werden - "aus Angst sonst auf Dauer voneinander getrennt zu bleiben". Bisher sei das oft nur das "stärkste" Familienmitglied gewesen. "Das war sicherer für die Familien und natürlich auch leistbarer als für die gesamte Familie die Schlepperkosten aufbringen zu müssen."
Die Diakonie plädiert dafür, den Schutzstatus von subsidiär Schutzberechtigten an jenen von Konventionsflüchtlingen anzupassen. Beide Gruppen hätten ein Recht auf internationalen Schutz: Erstere aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention, letztere aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention. "Mit dem Gesetzesvorschlag tritt erneut der Schutz von Menschen zurück hinter die Abschreckungswirkung für neu hinzukommende Flüchtlinge", so Chalupka.
Quelle: kathpress (03.11.2015)