"Flüchtlingshilfe hat Vorrang vor allem"
Das bunte Glaubensfest "Sonntag der Völker" war dieses Jahr ein klarer Aufruf zur Solidarität und Hilfe für Menschen auf der Flucht. In allen Diözesen wurden bei dem traditionellen gemeinsamen Gottesdienst der anderssprachigen katholischen Gemeinden unter dem Motto "Kirche ohne Grenzen, Mutter aller" gefeiert. Im Wiener Stephansdom zelebrierte Weihbischof Franz Scharl, Referatsbischof für die anderssprachigen Gemeinden in der Bischofskonferenz, die Eucharistiefeier. Begleitet wurde er dabei von "Flüchtlingskardinal" Francesco Montenegro, dem Erzbischof der Mittelmeerinsel Lampedusa.
Scharl hob in seiner Predigt die Papstbotschaft zum Welttag der Migranten hervor, wonach Jesus immer darauf warte, "in den Migranten und Flüchtlingen, den Vertriebenen und Heimatlosen erkannt zu werden". Migranten seien gleichsam wie auch die heimische Bevölkerung dazu aufgefordert, gemeinsam zum Aufbau der Welt beizutragen. Kardinal Montenegro verwies auf das schere Schicksal der Flüchtlinge, die Land und Heimat aufgeben müssen- Gleichzeitig bereite es für die Betroffenen große Freude, wenn Elemente der alten Heimat in die neue Heimat eingebracht werden können, betonte der italienische Erzbischof.
Zur Verdeutlichung wurden bei der Gabenprozession auch Rettungsringe zum Altar gebracht - als Zeichen dafür, "dass die Rettung bedrohter Menschen auf der Flucht Vorrang hat vor allen anderen Fragen und Streitigkeiten", so die unzweideutige Botschaft des Gottesdienstes. Die Kollekte im Stephansdom wurde der Errichtung einer neuen, von der Caritas betreuten Wohngemeinschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gewidmet. Im Anschluss folgte die traditionelle Agape im Wiener Erzbischöflichen Palais mit landestypischen Speisen der anwesenden Gemeinden.
Testfall, Auftrag und Chance
Im Innsbrucker Dom bezeichnete Österreichs "Caritas-Bischof" Manfred Scheuer beim "Sonntag der Völker" die muttersprachlichen Gemeinden als "große Chance, dass wir uns als Kirche ohne Grenzen darstellen können, ohne Nationalismen, ohne Mauern und Zäune." Die Vorstellung, unterschiedliche Menschen könnten nicht zusammenleben, sei Erbe des Ersten Weltkrieges, die Kirche müsse hier jedoch Gegenakzente setzen. Ihre Aufgabe sei es, Einheit und Liebe unter den Menschen und damit auch unter den Völkern zu fördern. "Religionen sprechen zum Herzen des Menschen von Gott. Sie befreien ihn vom Hass, von den Vorurteilen, von der Angst, sie öffnen ihn für die Nächstenliebe", so der Bischof.
Der in der Bibel begründete Auftrag zu Solidarität und Gastfreundschaft, Recht und Gerechtigkeit, Empathie und Menschlichkeit sei im "neuen Zeitalter der Flucht, Heimatlosigkeit und Völkerwanderung" besonders aktuell, betonte Scheuer. Dass flüchtende Menschen viele Risiken auf sich nähmen, um in Europa Schutz zu suchen, sei eine positive Aussage über Europa: Es werde als Raum der Menschenrechte gesehen - und sei herausgefordert, diese auch zu gewähren. "Der Umgang mit den Flüchtlingen ist der Testfall, wie ernst es unser Kontinent wirklich mit den Menschenrechten nimmt", so der Bischof. Zumal Flüchtlinge mehr als jeder andere in Frieden und in Frieden leben wollten, seien sie eine Hilfe dabei, "das Gute des friedlichen Europas zu schätzen und zu wahren".
Scheuer lobte die Solidarität gegenüber den Schutzsuchenden und das wohlwollende Klima der Gastfreundschaft: Es gebe schon "viele Bespiele der Einbeziehung von Asylwebern und Flüchtlingen in das Gemeindeleben, in Kindergärten und Schulen, durch gemeinnützige Arbeit, auch bei Festen und Feiern oder bei Sportveranstaltungen", würdigte der Bischof. Er erneuerte seinen Aufruf zur weiteren "Mitarbeit in der positiven Stimmungsmache". Weiterhin sei es zudem notwendig, beherzt zu prüfen, "ob im Einfluss- und Nahebereich Räume und Wohneinheiten für Flüchtlinge zu schaffen wären".
An der Feier im Innsbrucker Dom nahmen neben zehn fremdsprachigen Gemeinden auch eine Gruppe syrischer Flüchtlinge teil, die sich seit einigen Wochen regelmäßig in der Innsbrucker Kapuzinerkirche für ein Friedensgebet trifft. Ihr Beitrag zum Fest war ein gesungenes Marienlied.
Schwarz: Ort des Angenommenseins bieten
Flüchtlinge sollte nach ihrer schwierigen Situation zu Hause in Österreich einen Ort des Friedens, des Angenommenseins und der Geborgenheit finden, betonte Bischof Ludwig Schwarz bei seiner Predigt zum "Sonntag der Völker" im Linzer Mariendom. Die Kirche solle ein Herz für alle haben, kenne keine Grenzen und sei die "Mutter aller Völker und aller Menschen", so der Bischof vor über 1.000 Mitfeiernden aus den zehn fremdsprachigen katholischen Gemeinden in Oberösterreich, darunter auch Laszlo Vencseer, der Nationaldirektor der Fremdsprachigen Seelsorge.
Wie auch in den anderen Domkirchen, wurde die Vielfalt der Völker besonders bei den Fürbitten in den Landessprachen sowie beim gemeinsamen vielsprachigen "Vater Unser" spürbar. An der Musikgestaltung beteiligt war u.a. ein Chor der afrikanischen Gemeinde, während zahlreiche weitere Chöre und Volkstanzgruppen u.a. aus Ungarn bei anschließenden Agape auf dem Domplatz für Stimmung sorgten. Mitorganisiert wird der "Sonntag der Völker" in Linz auch von der diözesanen Caritas.
Quelle: kathpress (27.09.2015)