Schönborn, Häupl, Landau für Menschlichkeit
Ein menschlicher Umgang mit Flüchtlingen, der der humanen Tradition Österreichs entspricht ist möglich und wird von vielen gesellschaftlichen Kräften derzeit auch gepflogen: Das war der gemeinsame Tenor von Caritas-Präsident Michael Landau, Kardinal Christoph Schönborn und dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl in ihren Statements bei einem gemeinsamen Besuch der Caritas-WG "Yunus" für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge am Mittwoch in Wien Rudolfsheim-Fünfhaus. Seit einem Monat wohnen hier 45 Kinder und Jugendliche, die davor in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen teils wochenlang zur Obdachlosigkeit verurteilt waren.
"Gastgeber" Michael Landau sagte, die mit Hilfe der Stadt Wien geschaffene Wohngemeinschaft und alle weiteren Grundversorgungsquartiere, die die Caritas zuletzt in Wien, in Guntramsdorf oder in Horn eröffnet habe, "machen deutlich: Es geht auch anders". Tausende Helfer und Spender leisteten gemeinsam mit den Behörden und politisch Verantwortlichen, mit Polizei, ÖBB und den Hilfsorganisationen "Großartiges", lobte der Caritas-Chef. Er dankte Bürgermeister Häupl dafür, dass Wien trotz Arbeitslosigkeit und Flüchtlingsherausforderung in Zeiten von Wahlkämpfen "Haltung bewies". Das Recht auf Asyl und auf eine menschenwürdige Unterbringung werde aktuell "gelebt - und zwar nicht verhalten, sondern selbstbewusst". Landau: "Und das ist in Zeiten wie diesen nicht selbstverständlich."
Erneut sprach er sich für einen nationalen "Schulterschluss" und gegen eine "Spaltung des Landes" aus. Für den Caritas-Präsidenten ist klar: "Die Zeit, die vor uns liegt, wird fordernd bleiben." In den nächsten Monaten und Jahren sein eine "doppelte Integration" notwendig - eine von jenen, die in Österreich Schutz finden, aber auch eine weitere von jenen Einheimischen, "die nun fürchten, auf sie könnte vergessen werden".
Eine Absage erteilte Landau Bestrebungen, beim Asylthema Standards in der Versorgung und das Alter zur Volljährigkeit zu drücken: "Was kommt als nächstes? Volljährigkeit mit 12 Jahren?" In Österreich dürfe es keine Kinder erster, zweiter und dritter Klasse geben. Ein Blick auf die Jugendlichen, die in der WG Yunus wohnen, zeige: "Gerade die Jüngsten brauchen uns am dringendsten. Wer bei Standards in der Grundversorgung und bei Kindern sparen will, riskiert aus einer Quartierskrise von heute eine Integrationskrise von morgen zu machen."
Schönborn: Win-win-Situation ist möglich
Vor "Dramatisierungen" warnte Kardinal Schönborn. Die Flüchtlingszahlen, die heuer in Europa zu erwarten seien, machten lediglich ein Prozent der europäischen Bevölkerung aus. Und von den weltweit Millionen von Flüchtlingen kämen "ein Promille, vielleicht zwei Promille nach Europa". Die Lage für die Betroffenen sei vielfach dramatisch, sagte Schönborn, "aber vor allem ist dramatisch, dass es die internationale Staatengemeinschaft nicht zustande bringt, eine Friedenskonferenz für den Nahen Osten zu machen". Und einen "Skandal" nannte es der Wiener Erzbischof, dass in die Krisenregionen weiterhin Waffen geliefert werden, dass weiter "Geschäftemacherei mit dem Tod" betrieben werde, dass zugleich das Geld für Hilfe in den riesigen Flüchtlingslagern in Jordanien, im Libanon und der Türkei ausgehe - laut Schönborn "Ursache dafür, dass sich Hunderttausende um ihrer Zukunft willen auf den Weg machen".
Dem gegenüber stehe das Vorbild der Hilfsbereitschaft in Österreich, das ihn bewege und stolz mache. Auch der Kardinal stimmte dem von der Bundesregierung eingesetzten Flüchtlingskoordinator Christian Konrad zu, der gemeint habe: "Es ist zu schaffen, und es muss nicht ein Verlust für Österreich sein. Es kann eine Win-win-Situation sein." Besonders dankte Schönborn jenen Wiener Pfarren, die in der Nacht vor seinem Besuch Flüchtlingen 1.175 Notquartiere zur Verfügung stellten und das in zunehmendem Ausmaß weiterhin tun würden.
In der "WG Yunus" leben Jugendliche wie der 16-Jährige Mohammad aus Afghanistan, der seine Eltern im Krieg verlor und alleine nach Österreich flüchtete. Wie die Caritas mitteilte, ist er mittlerweile seit neun Monaten in Österreich, bis vor kurzem im Freien schlafend in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen. "Ich bin froh, endlich in einem richtigen Bett schlafen zu können. Mein Arm wurde bei einem Bombenangriff verletzt. Wenn ich am Boden liege, schmerzt es sehr!", erzählte Mohammad. Der Kriegsflüchtling blickt positiv in die Zukunft: "Ich möchte einen Deutschkurs machen, in die Schule gehen."
Häupl: Hilfe mit "heißem Herzen und kühlem Kopf"
Bürgermeister Häupl lobte das von "heißem Herzen und kühlem Kopf" getragene Engagement für Flüchtlinge durch NGOs wie die Caritas. Dass drei Viertel der zuletzt nach Wien gekommenen Flüchtlinge in Privathäusern untergebracht wurden, sei das Verdienst dieser professionell agierenden NGOS. "In Wien stehen jene auf, die sagen: Das kann und darf nicht sein, wie hier in Europa mit Menschen auf der Flucht umgegangen wird" so Häupl. "Ich bin überzeugt: Das ist das wirkliche Gesicht der Stadt."
Der Bürgermeister gab Christian Konrad Recht für dessen Aussage: "Das Boot Österreich ist noch nicht voll." In der Bosnienkrise hätten allein in Wien 80.000 Menschen Schutz gefunden. "Wir haben das damals gut hinbekommen", erinnerte Häupl. "Und wir werden es auch heute gut hinbekommen." In Wien gebe es eine "Tradition der Hilfsbereitschaft, aber keine Tradition der Hetze und Demonstrationen gegen Flüchtlinge".
Quelle: kathpress (17.09.2015)