Umgang mit Flüchtlingen ist Wegweiser für Europas Zukunft
Der Umgang mit dem Flüchtlingsstrom Richtung Europa ist nach Ansicht von Caritaspräsident Michael Landau ein Wegweiser für die künftige Ausrichtung der Europäischen Union: "Wenn die Länder jetzt beginnen, Zäune zur Abschreckung hochzuziehen, dann ist das eine Bankrotterklärung der Politik und gleichzeitig ein Scheitern der Europäische Union als Projekt des Miteinanders", erklärte Landau im Gespräch mit der katholischen Presseagentur "Kathpress". Das Ausmaß der Flüchtlingsbewegung könne nicht von einigen wenigen Ländern alleine geschultert werden. Die österreichische Regierung forderte er deshalb auf, "entschieden Solidarität einzumahnen".
Hoffnung setzt Landau auf die Ende September von den EU-Innenministern beschlossene Quote von 160.000 Asylwerbern, die von Griechenland und Italien aus auf die europäischen Ländern verteilt werden sollen. Bisher sei es aber allerdings bei der Ankündigung geblieben. Landau: "Die Dinge werden viel zu zögerlich umgesetzt." Erstaufnahmestellen an den Rändern der EU wären sinnvoll, so der Caritaspräsident, "aber nur dann, wenn das auch mit einem Verteilungssystem verbunden wird und mit einer abgesicherten Grundversorgung". Einmal mehr plädierte Landau auch für vergleichbare Verfahren und Entscheidungsstandards innerhalb Europas. "Sonst brauchen wir uns nicht wundern, wenn die Menschen versuchen, gezielt in bestimmte Länder zu kommen."
Den Vorschlag von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, den Grenzübergang von Slowenien nach Österreich "durch baulichen Maßnahmen besser zu ordnen", sieht Landau differenziert: Bisher seien die Pläne noch sehr vage. Dienten die Zäune aber dazu, Menschen den Zugang zu ihrem Recht auf ein Asylverfahren zu versperren, "dann halte ich das für höchst problematisch". Gehe es um eine Ordnung und Beschleunigung beim Grenzübertritt, könne über entsprechende Maßnahmen nachgedacht werden.
"Wesentlich" sei auch ausreichende Hilfe in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Beispielhaft nannte der Caritaspräsident die großen Lager in Jordanien oder dem Libanon, doch hätten die europäischen Länder auch hier bisher nicht mehr als Lippenbekenntnisse geliefert. "Die versprochene Hilfe für die Menschen in den großen Flüchtlingslagern ist bis jetzt nicht eingelöst worden", stellte der Caritaspräsident fest. Solange es vor Ort nicht genügend zu essen, eine Chance auf Frieden und Bildung gebe, werde auch der Flüchtlingsstrom nach Europa andauern.
Auf Bahnhöfen "Geschichte geschrieben"
Beeindruckt zeigte sich Landau vom zivilgesellschaftlichen Engagement für Flüchtlinge. "In den vergangenen Wochen wurde auf österreichischen Bahnhöfen Geschichte geschrieben. Der Zusammenhalt in der Bevölkerung war einzigartig." Gleiches sei auch von politischen Entscheidungsträgern nötig: Werde das "politische Hick-Hack zwischen Bund und Ländern" nicht beendet, drohe "aus der Quartierkrise heute eine Integrationskrise von morgen" zu werden, so der Caritaspräsident. Besonders im Sozialbereich sei mehr Unterstützung der Länder durch den Bund nötig - "etwa beim Wohnungsbau und der Schaffung von Kindergarten- und Schulplätzen".
Landau rief dazu auf, neben der Belastung, die durch die Flüchtlinge auf Österreich zukommen würde, auch die "Menge an Chancen" zu sehen, die sich gleichzeitig ergäben. Auch wenn klarerweise nicht jeder Asylwerber Asyl bekommen könne, müsse Integration vom ersten Moment an beginnen. Schlüsselthemen dafür seien Spracherwerb vom ersten Tag an, Integrationsangebote, Gesprächsmöglichkeiten, Nostrifikation von Abschlüssen sowie der Arbeitsmarkt.
Quelle: kathpress (03.11.2015)