"Wohlwollendes Klima für Menschen auf Flucht"
Zäune und Mauern sind keine probate Antwort auf Flüchtlingsströme und das Phänomen der Migration. Das betont der Innsbrucker Bischof Manfed Scheuer in einem Interview in der "Tiroler Tageszeitung" (Sonntag-Ausgabe). Es brauche eine "positive Stimmungsmache" gegenüber Flüchtlingen, forderte Scheuer. Das Evangelium gebe klare Anweisungen. Es gehe um ein "engagiertes Mitgestalten und ein wohlwollendes Klima für Menschen auf der Flucht". Bei Migration und Asyl handle es sich um ein transnationales Politikfeld. Und deshalb brauche es etwa auch gemeinsame Lösungen in den Konfliktgebieten, aus denen die Flüchtlinge kommen.
Scheuer äußerte ich in der "Tiroler Tageszeitung" im Hinblick auf sein neues Buch "Wider den kirchlichen Narzissmus", das dieser Tage erscheint. Der Bischof verwies auf Papst Franziskus, dem es darum gehe, "dass wir uns als Kirche nicht um uns selber kreisen und nicht in 'theologischen Narzissmus' verfallen". Narzissten seien in das eigene Spiegelbild verliebt und könnten auf nichts anderes achten, als auf sich selbst. "Für die Kirche entscheidend sind aber eine Spiritualität, die offen ist, und eine Bereitschaft zu kreativer Auseinandersetzung mit den Fragen der Gegenwart", so der Bischof wörtlich.
Scheuer: "Es geht darum, im Anderen, im Armen, in der Gemeinschaft, in gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Kontexten die Spuren Gottes zu suchen." Papst Franziskus werde nicht müde, das Profil einer missionarischen Kirche zu zeichnen und zu leben. Die Kirche müsse sich an die Grenzen menschlicher Existenz vorwagen: "die des Schmerzes, der Ungerechtigkeit, der Ignoranz, der fehlenden religiösen Praxis, des Denkens und jeglichen Elends".
Zur Frage nach dem Verhältnis von Religion und Politik unterstrich der Bischof, dass Religion den fundamentalen Fragen, die eine Gesellschaft als ganze betreffen, nicht ausweichen dürfe. Zugleich stehe die auch Politik in Beziehung zu Sinn und Sinnfragen. Scheuer: "Religion ist nicht nötig für die Begründung von moralischem Handeln, aber für die Frage nach der Sinnhaftigkeit guten Handelns." Für die Suche nach Orientierung angesichts fortgesetzter, beschleunigter Veränderung, z. B. im Bereich der Bioethik oder der Wirtschaftsethik, sei Religion jedenfalls unaufgebbar, so die Überzeugung des Innsbrucker Bischofs.
Das Buch "Wider den kirchlichen Narzissmus" dokumentiert Ansprachen Scheuers, die dieser bei verschiedenen Anlässen als Innsbrucker Diözesanbischof aber auch als österreichischer Caritasbischof und Präsident von Pax Christi Österreich gehalten hat. Sie seien "Zeugnis eines Bischofs, der keinen 'Tunnelblick', sondern ein klares spirituell-politisches Profil hat", wie es von Seiten der Diözese Innsbruck heißt. Das Buch erscheint in wenigen Tagen.
(Manfred Scheuer: Wider den kirchlichen Narzissmus. Ein spirituell-politisches Plädoyer. Tyrolia-Verlag, Innbsruck 2015)
Quelle: kathpress (04.10.2015)